Die Orgel der St. Marienkirche Alfeld/Leine

Faltblatt von 1973 - eine Abschrift

„Der Orgel Klang ist eine schöne, herrliche Gabe Gottes und ein Vorbild und Gleichnis der himmlischen Musik, wie die heiligen Engel Gottes ihren Schöpfer in einer lieblichen Harmonie stetig ohne Unterlass rühmen und preisen und das Sanctus singen.“
(Michael Praetorius 1571-1621)

 
Als im Jahre 1969 wegen der immer größer werdenden Bauschäden die alte Kirche abgebrochen wurde, stellte man beim Ausbau der Orgel fest, dass sie nur unter hohen Reparatur- und Erneuerungskosten in der neuen Kirche wieder aufgestellt werden kann. So haben nach Beendigung des Kirchbaues im Jahre 1971 Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat nach gemeinsamen intensiven Beratungen beschlossen, eine ganz neue Pfeifenorgel anzuschaffen.

Unter Beratung und Planung von Herrn Domorganist F. Soddemann, Hildesheim, erhielt die Firma Gebr. Stockmann, Werl/Westf., den Auftrag, eine der Größe des Kirchenraumes angepasste Orgel mit 20 Registern zu bauen.

Im Juli 1973 wurde die Orgel fertiggestellt, eingebaut und intoniert.

Die vorher leere Rückwand der Kirche wird nun von dem gut gegliederten Bild der neuen Orgel beherrscht. Sie befindet sich in einem geschlossenen Origon-Pine- (Brasilkiefer) Gehäuse. Die Ansicht der Orgel - Prospekt genannt - wurde in Anlehnung an das Relief im Altarraum entworfen und fügt sich harmonisch in den Kirchenraum ein. Während die Darstellung im Altarraum den Gläubigen auf das Ziel seines Lebens, die Vollendung bei Gott, hinweist - dargestellt im eschatologischen Symbol des himmlischen Jerusalems -, wird er vom korrespondierenden Prospekt der Orgel eingeladen, in das Gotteslob einzustimmen.

Das Instrument enthält 1.504 Pfeifen. Die größten sind etwa 2,70 m lang, die kleinste misst nur 4 mm. Die Wandstärke der Pfeifen ist so bemessen, dass der Ton klar und deutlich und ohne Windschwankungen zum Erklingen kommt.

Die Metallpfeifen sind aus einer Blei-Zinnlegierung gegossen, die Holzpfeifen bestehen aus Mahagoni. Die meisten Orgelpfeifen erklingen nach dem gleichen Prinzip wie etwa eine selbstgebastelte Weidenpfeife. Je nach Ton und Material haben sie verschiedene Klangfarben. Man unterscheidet die beiden großen Gruppen der Principale und der Flöten. Principalpfeifen haben einen schmalen Körperbau und einen glänzendscharfen Ton (männliche Stimmen). Sie bilden das eigentliche Klanggerüst der Orgel.

Die zweite Klanggruppe der sogenannten Flöten hat einen breiteren Körperbau und gibt einen milderen, runden, weichen Klang (weibliche Stimmen). Durch die verschiedene Bauart wird jeweils eine andere Klangfarbe erzeugt.

Eine dritte Gruppe wirkt nach dem gleichen Prinzip wie das Blasen auf einem Grashalm: Eine auf einer Metallkehle liegende Messingzunge wird vom „Wind“ in Schwingungen versetzt und erzeugt einen charakteristisch schnarrenden Ton (Zungenstimmen).

Die Jalousien des Brustschwellwerkes wurden aus Glas hergestellt, um die dahinterliegenden Pfeifen sichtbar zu machen. Mit diesen Jalousien kann der Organist durch Schließen und Öffnen die Pfeifen leiser oder lauter erklingen lassen. Die Pfeifen gehören zu den 20 Registern (Reihen), die sich in Tonhöhe und Klangfarbe unterscheiden. Sie sind auf drei Windladen, also in drei Gruppen angeordnet, die von je einer Tastenreihe (Klaviatur) gespielt werden und so miteinander oder gegeneinander eingesetzt werden können.

Der freistehende Spieltisch hat 2 Klaviaturen mit je 56 Tasten für die Hände; das Pedal hat 30 Tasten, die von den Füßen gespielt werden. Die Verbindung von der Spieltaste zum Ventil, das den „Wind“ in die Pfeifen einströmen lässt und so zum Klingen bringt, geschieht mechanisch. So kann der Spieler, durch verschiedene Art, die Taste zu bewegen, das Ventil verschiedenartig öffnen und somit die An- und Absprache des Pfeifentones differenzieren. Darum wirkt der Klang einer mechanisch gesteuerten Orgel so lebendig. Zur Kunst des Organisten gehört außer dem guten Spiel das gute Registrieren, d.h. das richtige Kombinieren der Register von verschiedenen Klangfarben und verschiedenen Tonhöhen zu wohltuenden und immer wieder neuen und aussagekräftigen Klängen - eine Kunst, die das Orgelspiel so interessant macht und der Orgel den Titel „Königin der Instrumente“ eingebracht hat.

Die Orgel wurde aus Spenden der Gemeindemitglieder und aus Beiträgen der Mitglieder des Kirchbauvereins finanziert. Der schöne Klang der Orgel möge Dank sein für alle, die das Werk ermöglichten.

Die Orgel dient vor allem der Gottesdienst-feiernden Gemeinde der Entfaltung der Liturgie. Sie wird aber auch außerhalb des Gottesdienstes erklingen bei kirchenmusikalischen Darbietungen.

Disposition der Orgel:

I. Manual, Hauptwerk C - g³

1. Pommer 16'
2. Prinzipal 8'
3. Rohrflöte 8'
4. Oktave 4'
5. Flöte 4'
6. Waldflöte 2'
7. Mixtur 5-6 f.  1 1/3
8. Trompete 8'

Pedal C - f¹

16. Subbaß 16'
17. Prinzipalbaß 8'
18. Gedacktbaß 8'
19. Piffaro 2 f.  4' + 2'
20. Fagott 16'

II. Manual, Brustschwellwerk C - g³

9. Holzgedackt 8'
10. Prinzipal 4'
11. Blockflöte 4'
12. Oktave 2'
13. Terzian 1 3/5 + 1 1/3
14. Scharff 4-5 f.  1'
15. Rohrschalmey 8'
15a) Tremulant

Koppeln: II-I, I-P, II-P
2 freie Kombinationen
1 zusätzl. freie Pedalkombination
Einzelabsteller für Aliquoten und Zungen
Mechanische Spieltraktur
Elektrische Registertraktur
Schleifladen
frei stehender Spieltisch
(insgesamt 1.504 Pfeifen)

Disposition: Domorganist Fritz Soddemann

Prospekt: Orgelbau Gebr. Stockmann (Franz-Josef Rammelmann) in Verbindung mit Architekt Johannes Reuter jr.

Planung und Ausführung: Orgelbauanstalt Gebr. Stockmann, Werl, in Verbindung mit dem Orgelsachverständigen des Bistums Hildesheim: Fritz Soddemann

Intonation: Lothar Rüschenschmidt